Kneipp-Gesundsheitsvisite Oktober 2023

Aus Sebastian Kneipps Leben:

Das Sprechstundenzimmer


Kurgäste, die um das Jahr 1892 zu Sebastian Kneipp nach Wörishofen reisten, hatten es wahrlich nicht leicht, um zu dem berühmten Pfarrer zu gelangen. Zunächst musste sich jeder Neuankömmling im „Büreau des Kneipp-Vereins“ in der Hauptstraße 33 anmelden. Nachdem der Vereinsschreiber Name und Heimatadresse des Gastes notiert hatte, händigte er dem Patienten das „Verordnungs- und Vorlassungsbuch zu den Sprechstunden des Hochwürdigen Herrn Pfarrer Kneipp, Wörishofen“ aus. Damit erhielt der Gast die Erlaubnis zum Zutritt zur Sprechstunde und eine Gebühr von einer Mark war fällig, nachweislich Arme bezahlten die Hälfte. Als Sprechzimmer diente damals die geräumige Wohnstube im Pfarrhaus.

Das war nur der erste Schritt auf dem Weg zu Pfarrer Kneipp. Morgens um acht, außer an Sonn- und Feiertagen, begann die Sprechstunde im Pfarrhaus. Schon eine Stunde vor Beginn reichte die Schlange der Wartenden weit hinaus auf die Straße. Die Hilfesuchenden nahmen die langen Wartezeiten klaglos in Kauf, bevor sie endlich ins Sprechzimmer zu Pfarrer Kneipp vorgelassen wurden.

Anschaulich beschreibt Joseph Speyer, der zunächst als Kurgast nach Wörishofen gekommen war und dann 1892/93 mehrere Monate als Laie bei Pfarrer Kneipp hospitierte, in seinem Buch „Der berühmte Pfarrer Kneipp aus Wörishofen“ das Sprechzimmer: „Hier steht ein großes Sopha, auf dem der Herr Pfarrer Platz nimmt, zu seiner Rechten ein Arzt, von dem man vermuthen könnte, seine Absicht wäre, die Methode zu studiren. Vor dem Sopha steht ein langer Tisch, an dem ein paar fremde Aerzte sitzen, von denen zwei in der Nähe des Pfarrers als Sekretäre fungiren. Je nach der Jahreszeit sind bis zu 16 Aerzte anwesend.“

Allerhand Kurioses und auch manch Nützliches hatte sich in dem Raum angesammelt. „Hie und da ein Kistchen Kneipp-Cigarren, ein Päckchen Malzkaffee und Honigwein“, hält Speyer akribisch fest, „ebenso leinene Strümpfe, Käse, Brod, das Erzeugnis irgendeiner Apotheke oder ein anderer Kneipp-Artikel, welche von unternehmungslustigen Fabrikbesitzern dem weltberühmten Gesundheitsprediger zum Geschenk gemacht wurden mit der Bitte, das Produkt unter seinem Namen und gestützt auf seine besondere Empfehlung auf den Markt bringen zu dürfen.“ Mit dieser Hoffnung bissen aber die meisten auf Granit, denn Sebastian Kneipp war davon wenig angetan, dass unter seinem Namen seltsame Produkte angeboten wurden.

Gemeinsam mit den Ärzten erstellte Sebastian Kneipp nach einer ersten Untersuchung die Diagnose für die Patienten und empfahl das weitere Procedere. Güsse und Wickel wurden für die bevorstehende Kur angeordnet und kamen oft in der alten Waschküche, nur wenige Schritte hinter dem Pfarrhaus, zur Anwendung. Dankbare Kurgäste hatten dort an der Wand eine Tafel befestigt. „Leb´ wohl, du liebe kleine, traute Waschküche; hab` Dank für all die Wohlthat, die wir in dir genossen!“ stand darauf zu lesen. Auch Joseph Speyer erhielt hydrotherapeutische Behandlungen und musste sich in der Waschküche melden. „Darin befanden sich eine große Badewanne, ein großer Zuber, eine kleine Bütte und eine Gießkanne,“ erinnert er sich in seinem Buch.

In den Anfangsjahren, so um 1876 bis 1886, war es noch Sebastian Kneipp persönlich, der in der alten Waschküche die Güsse verabreichte. Später nahm die Anzahl der Patienten rapide zu. Zahlreiche Helferinnen und Helfer übernahmen nun die Aufgabe. Um den Ansturm der Hilfesuchenden zu bewältigen, wurden ab 1886 zwei weitere Badehäuser errichtet. Für die prominenten und wohlhabenden Kurgäste machte Pfarrer Kneipp gerne eine Ausnahme und verabreichte weiterhin persönlich die Güsse. Joseph Speyer notiert dazu: „Heute noch werden Baronen, Grafen, Fürsten und Prinzen, an denen es in Wörishofen selbst im strengen Winter 1890/91 nicht fehlte, auf ihr Verlangen von Pfarrer Kneipp eigenhändig Güsse gegeben. Dies geschieht dann morgens, entweder kurz vor dem Beginn oder nach der Sprechstunde. In diesem Fall dient eine anstoßende Abteilung der Waschküche als Aus- und Ankleidezimmer.“

Harald Klofat

Jahresmotto 2023

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